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Europawanderweg 5 (E5) und Via Alpina
Kaunergratvariante
Höhenwege zwischen Zams/Inntal und Braunschweiger Hütte


Weitwanderwege durch die Alpen sind sehr beliebt und liegen bei Bergfreunden und Bergwandergruppen voll im Trend. Aus deutscher Sicht ist es vornehmlich die Nord-Süd-Richtung des Europawanderweges 5 (E5), aber auch die Gelbe Route der von Süd nach Nord verlaufenden Via Alpina. Das Motto heißt: Zu Fuß über die Alpen. Mit einem Pferdefuß im Bereich der Ötztaler Alpen: der etwa 30 km langen Busfahrt durch das Pitztal. „Bei fair means“ und mit großem Erlebnisgewinn kann man stattdessen die Variante über den Kaunergrat wählen. Sie merzt diesen sportlichen Schönheitsfehler aus.

"Der Kaunergrat", so Dieter Seibert zutreffend in seinem schönen und lesenswerten Buch- und Bildband  „Ötztaler Alpen“, verdient in den Ötztaler Alpen die meiste Beachtung. In der gesamten Zentralalpenwelt Österreichs findet man nämlich nichts Vergleichbares! In langer Reihe stehen hier elf gewaltige, bis zu 3533 m hohe Berge, dazu kommt ein gutes Dutzend etwas kleinerer, aber immer noch recht markanter Gipfel. Sie alle zählen ausnahmslos – und das ist der Unterschied zu anderen Gebieten – nicht nur zu den auffallenden Felszinnen, sie zeigen auch jeweils ein ganz individuelles unverkennbares Profil.

Wer nicht darauf angewiesen ist, in kürzester Zeit über die Alpen nach Süden zu eilen, für den ist es überaus  lohnenswert, den Weg vom Zams zur Braunschweiger Hütte über den Kaunergrat zu nehmen. Dort findet der Bergfreund in reichem Maße noch ungeschminkte Naturschönheit: Stille, die kein Misston stört, gewaltige Felszinnen, luftige Gipfel und Joche, dazwischen in hochgelegenen Schluchten und Karen eisglänzende Gletscherfelder, die – wie überall im Zuge des Klimawandels – um ihr gefährdetes Dasein kämpfen. Wände von 500 m Höhe findet man hier gleich reihenweise, so die Watzespitze-Nordostwand (600 m), die Schwabenkopf-Nordwestflanke (930 m), die Rofele-Nordwand (700 m) oder die Gsallkopf-Nordostflanke (650 m). Daneben Wildbäche, Wasserfälle, eine reiche Flora und ganze Hänge voller Alpenrosen. "Die großartige Kaunergrat-Alternative gehört sicher zu den schönsten Abschnitten in diesem Wanderführer…", so die Autoren Stephan Baur und Dirk Steuerwald im Rother Wanderführer zum E 5 (Ausgabe 2010).

Wegverlauf

Per Seilbahn schwebt man von Zams hinauf zum Krahberg (2002m) wie bei der üblichen Wegführung. Doch bald, an der Goglesalm (2017m), trennen sich die Wege: Wo die Busfraktion nach Wenns absteigt, halten sich die Kaunergrataspiranten rechts. Direkt hinter der Goglesalpe oder – wenn man länger auf dem Höhenweg bleibt – an der Galflunalpe geht es hinab nach Piller (1353m), wo gute und zügig gehende Bergwanderer vor der folgenden langen Etappe sinnvollerweise Station machen. Schon die Galflunalm bietet Übernachtungsmöglichkeiten an. Auch In Piller gibt es in Gasthöfen und Pensionen weitere Übernachtungsmöglichkeiten. Von hier geht es am nächsten Morgen hinauf zur bewirtschafteten Aifner Alm (1980m) direkt an dem dort  beginnenden und überaus passend genannten Kaunertaler Panoramaweg.

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Zammer Schihütte oberhalb Vent
Zammer Schihütte

Blick vom Krahberg zum Kaunergrat
Blick vom Krahberg
zum Kaunergrat

Goglesalm
Goglesalm

Galflunalm
Galflunalm

Aifneralm
Aifneralm

Panoramaweg
Panoramaweg

Wer die neun bis zehn Stunden der Etappe Piller – Verpeilhütte in etwa der Hälfte der Strecke zur Verpeilhütte unterbrechen will, was durchaus sinnvoll ist, wählt zur Aifner Alm einen etwas anderen Weg. Dieser führt unmittelbar an der Goglesalm zusammen mit dem Weg nach Piller leicht bergab. Immer auf diesem Hauptweg bleibend, mündet man nach knapp einer Stunde auf den zum Informationszentrum des Naturparks Kaunergrat (1569m) gekennzeichneten Weg ein, dem man bis dorthin folgt. Auf keinen Fall an einigen Stellen unterwegs  den nach links zeigenden Hinweisschildern nach Piller folgen (Umweg)! Das Informationszentrum bietet Sehenswertes und ist auch mit einer Gastronomie ausgestattet. Vom Informationszentrum führt ein gut markierter Weg zur bewirtschafteten Aifner Alm (1980m).

Naturparkhaus
Naturparkhaus

Gaacher Blick vom Naturparkhaus ins Inntal
Gaacher Blick

Unmittelbar vor der Aifner-Alm zweigt der Weg in südöstliche Richtung auf den „Kaunertaler Panoramaweg“ zur Falkaunsalm ab. Hoch über dem grünen Talboden schlängelt er sich durch steile, von Alpenrosen gesprenkelte Hänge. Zerzauste Zirben krümmen sich der Sonne entgegen, darüber ragen schroffe Felszacken. Aus der Ferne leuchten die Gletscherberge des Engadin, aus denen sich der Inn heraus schlängelt.  Das Panorama ist überwältigend! Es gibt den Blick weiter frei auf den wild gezackten felsigen Kaunergrat mit Aifner Spitze (2558m), Hohen Aifner Spitze (2779m), Stupfarriköpfle (2808m)  bis hin zu „Ihrer Majestät“, der viel beschriebenen Watzespitze (3533 m), den höchsten Gipfel des Kaunergrates. Rechts darunter die Furche des Kaunertals, wo sich der Blick über die Mauer des Stausees bis hin zur Weissseespitze und zum Gepatschferner am Ende des Kaunertals zieht. Rechts über dem Kaunertal der Glockturmkamm, dann hinter dem breiten Inntal Samnaun und das Engadiner Gipfelgewimmel. Die Falkaunsalm (1980 m) ist bewirtschaftet, bietet allerdings ebenfalls keine Übernachtungsmöglichkeiten an.

Weg vor der Falkaunsalm
Weg vor der Falkaunsalm
Falkaunsalm
Falkaunsalm

Übernachtungsmöglichkeiten gibt es beispielsweise im etwa 30 Minuten(Abkürzung an der Falkaunsalm erfragen!) entfernten „Wiesenhof“, Tel. 0043-5475-236, Email: info@pensionwiesenhof.at , Homepage www.pensionwiesenhof.at  oder

im Haus Bergland (Gesundheitsbauernhof – Hotel Garni)im Talort Nufels, Tel. 0043-5475-2280, Email: bergland@netway.at , Homepage www.hafele.info  

Der Wirt vom Haus Bergland (Gesundheitsbauernhof - Hotel garni) Hans-Peter Hafele hat sich bereit erklärt,  bei einer Übernachtungsbuchung die Wanderer von der  Falkaunsalm gegen ein Entgelt abzuholen und am nächsten  Morgen wieder zum Weg zurückzubringen.

Weitere Übernachtungsmöglichkeiten gibt es im Talort Nufels. Auskunft erteilt der Tourismusverband Tiroler Oberland-Kaunertal, Tel. 0043-5475-292. Auskünfte  ggf. freundlicherweise auch durch das Haus Bergland.

Auf jeden Fall vorher anrufen!

Von der Falkaunsalm führt der Panoramaweg – er heißt jetzt Dr. Angerer-Höhenweg -  unter Beibehaltung der schönen und weiten Aussicht ohne Schwierigkeiten weiter zur Gallruttalm (1980 m). Über dem Weg in der Gipfelreihe das Hintere Stupfarri (2895 m), Peischlköpfle (2913 m) und Wallfahrtsjöchl (2766 m) mit Übergang in das Pitztal.

Wer auf dem Wiesenhof, im Haus Bergland oder im Talort Nufels übernachtet hat, kann, aber muss am nächsten Tag nicht wieder zur Falkaunsalm zurückkehren. Via Gallruttalm bietet sich wegverkürzend ein richtiges Schmankerl als Wegstück an. Und zwar der Durchgang durch einen etwa 1km langen Wasserstollen. Stirnlampen oder Taschenlampen zwingend erforderlich! Vom Wiesenhof gelangt man zu dem Stollen, in dem auf dem Abkürzungswege die Kanalstrecke der Bewässerungsanlage Kaunerberg erreicht. Auf oder neben der Betonabdeckung bis zum Eingang des Stollens. Vom Haus Bergland oder vom Talort Nufels auf dem Fahrweg Richtung Falkaunsalm. Wo der Kanalweg den Fahrweg kreuzt, rechts ab dem Kanal bis zum Stolleneingang folgen. Der Stollen endet nur wenige Minuten unterhalb der Gallruttalm.

Wiesenhof
Wiesenhof

Haus Bergland
Haus Bergland

begehbarer Wasserstollen (Taschenlampe !!!)
Stollen

Gallrutalm
Gallrutalm

Ab der bewirtschafteten Gallruttalm wird nach einer lang gezogenen Querung das “Lückle“, ein enger Felsdurchschlupf sowie nach einigem Auf und Ab eine spannende Bachüberquerung, die durch ein stabiles Drahtseil entschärft ist, nach ca. 2 Std. die Gsallalm (1980 m) erreicht. Die Gsallalm ist nicht bewirtschaftet. 

Dr.-Angerer-Höhenweg
Dr.-Angerer-Höhenweg
Gsallalm
Gsallalm

Der Dr. Angerer-Höhenweg führt von hier weiter zur Verpeilalm (1804 m). Über diesem Wegstück recken sich  weitere mächtige Kaunergratgipfel wie Kleiner Dristkogel (2934 m), Großer Dristkogel (3058 m), Gsallkopf (3277 m) und der Hausberg der Verpeilhütte, der Schweikert (2879 m). Über dessen Schulter (ca. 250 Höhenmeter) erreicht man nach etwa einem knapp einstündigen Abstieg die Verpeilalm. Von dort beträgt die Gehzeit zur romantischen Verpeilhütte (2024 m) ungefähr eine halbe Stunde. 

Verpeilalm
Verpeilalm

Verpeilhütte
Verpeilhütte

Jetzt wird es alpin! Die Etappe von der Verpeilhütte zur Kaunergrathütte verläuft auf dem AV-Weg 926 unter bizarren Felstürmen hindurch, am schwindenden Madatschferner vorbei, überragt von der stotzig-steilen Watzespitze, hinauf zur Schlüsselstelle des Weges zum Aperen Madatschjoch (3020m). Der Übergang wurde in den letzten 3 Jahren von den DAV-Sektionen Frankfurt und Mainz zu einer nunmehr nahezu durchgängig mit Drahtseilen, Trittstufen und Leitern versicherten Steiganlage ausgebaut. Vom Madatschjoch erreicht man über eine Hochfläche inmitten der Kaunergratriesen Watzespitze (3533m), Verpeilspitze (3425m) und Schwabenkopf (3379) in knapp einer Stunde die gastliche Kaunergrathütte (2817m), eine urige Berghütte mit ursprünglichem Charakter. 

Aufstieg von der Verpeilhütte Richtung Verpeilturm
Aufstieg von der Verpeilhütte

vor dem Madatschjoch
vor dem Madatschjoch

Aktueller Hinweis: Weg nahe dem Madatschjoch auf der Verpeilseite wegen Felssturz geändert. Mehr Info hier
perfekt gesicherter Steilabstieg vom Madatschjoch
Kurzabstieg vom Madatschjoch

Kaunergrathütte mit Klettergarten
Kaunergrathütte mit Klettergarten

Die folgende Etappe von der Kaunergrathütte zur Braunschweiger Hütte lässt erholen und genießen. Das Wegstück ist in einer durchschnittlichen Tagestour zu bewältigen. Zunächst geht es weiter auf dem AV-Weg Nr. 926 auf einer sehenswerten Moräne ungefähr 40 Minuten hinab zum Karlesegg (2452 m). Hier zweigt nach rechts der teils gesicherte Cottbuser Höhenweg ab. Der an etlichen Stellen ausgesetzte Steig bietet hoch über dem Lußbachtal und Pitztal zwischen Plangeroß und Mandarfen mit Blick in die Ötztaler Eiswelt ein weiteres herrliches Panorama. Kurz nach dem Einbiegen in die westliche Flanke des Pitztals muss eine steile, aber 2012 neu und gut versicherte Rinne gequert werden. Bei Tempo "Genießerschritt" erreicht man in etwa 4 Stunden die Bergstation der Riffelsee-Seilbahn. Die nur ca. 10 Min. entfernte Riffelseehütte (2293m) lädt zur Mittagsrast ein.

versicherte Rinne im Cottbuser Höhenweg
Schlüsselstelle Cottbuser Höhenweg

Riffelsee vom Cottbuser Höhenweg
Riffelsee vom Cottbuser Höhenweg

An der Talstation der Riffelseeseilbahn stößt man in Mandarfen (1675m) auf die klassische E5-Route. Puristen gehen freilich komplett zu Fuß: über die Taschachalm hinab nach Mittelberg (1740m), wo sie endgültig Anschluss an die Standardlinie zur Braunschweiger Hütte finden – mit dem Bewusstsein, nicht nur sportlich die bessere Wahl getroffen zu haben.
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Blick vom Cottbuser Höhenweg Richtung Braunschweiger Hütte
Blick vom Cottbuser Höhenweg
zur Braunschweiger Hütte
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Normalweg von Mittelberg zum Jägersteig / Braunschweiger Hütte
Normalweg von Mittelberg zum Jägersteig
 als Aufstieg zur Braunschweiger Hütte

Literaturempfehlung:
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Rother Wanderführer "Fernwanderweg E5"
Überaus lesenswert und  gut bebildert und beschrieben. 
Autoren Stephan Baur und Dirk Steuerwald  
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Bruckmann Tourenführer "Fernwanderweg E5"
Gute Beschreibung. Schöne Bilder.
Autor Robert Mayer
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Bruckmann-Verlag "Fernwanderweg Via-Alpina"
Gute Beschreibung des gelben Weges (Verlauf in der Kaunergratvariante identisch mit E5)
von Evamaria Wecker
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Auch der Kompass-Verlag wird in Neuauflagen die Kaunergratvariante aufnehmen.

   Text:    Manfred Neuber, DAV Sektion Mainz
Fotos:   Manfred Neuber, Ines Claussen, Stefan Franke

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